Jan Böhmermanns Bericht über Arne Schönbohm war unzulässig. Das Urteil gegen das ZDF ist nun gefallen

Der Fernsehkomiker Jan Böhmermann dichtete dem damaligen Chef des Cybersicherheitsamts eine Nähe zu Russland an – ohne jeden triftigen Beweis. Auf finanzielle Entschädigung darf Schönbohm allerdings nicht hoffen.

Nathan Giwerzew, Berlin 3 min
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Damals noch in Amt und Würden: der Ex-BSI-Chef Arne Schönbohm an der Bundespressekonferenz.

Damals noch in Amt und Würden: der Ex-BSI-Chef Arne Schönbohm an der Bundespressekonferenz.

Sean Gallup / Getty Images Europe

Arne Schönbohm war sehr lange nur wenigen Deutschen ein Begriff. Der Spitzenbeamte mit CDU-Parteibuch leitete das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), eine Cybersicherheitsbehörde, die dem Bundesinnenministerium untersteht. Bis zum 18. Oktober 2022 war er in Amt und Würden, bis ihm Innenministerin Nancy Faeser die Führung seiner Amtsgeschäfte verbot.

Denn eine Sendung des Satiremagazins «ZDF Magazin Royale» hatte ihn zuvor in ein negatives Licht gerückt. Schönbohm, so die Unterstellung des Fernsehkomikers Jan Böhmermann, unterhalte offenbar Beziehungen zu russischen Geheimdiensten.

Laut dem Landgericht München war diese Berichterstattung unzulässig. Es untersagte dem ZDF am Donnerstag, vier von fünf angegriffenen Äusserungen über Schönbohm weiterzuverbreiten. Zwei Aussagen von Böhmermann, die eine angebliche Nähe zu russischen Nachrichtendiensten insinuieren, stufte es als falsche Tatsachenbehauptungen ein, die die Persönlichkeitsrechte von Schönbohm verletzten.

Laut dem Urteil hat Schönbohm allerdings keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Sowohl Schönbohm als auch das ZDF können gegen das Urteil in Berufung gehen.

Böhmermann porträtierte Schönbohm als «Cyberclown»

Schon kurz nach der Ausstrahlung der Sendung wurde Kritik laut. Denn Böhmermann hatte für seine Unterstellungen keine belastbaren Belege vorgelegt. Er stützte sich vielmehr auf vage Informationen über den Cyber-Sicherheitsrat Deutschland, einen privaten Verein, den Schönbohm mitgegründet hatte. Und er zitierte ausweichende Auskünfte der Pressestelle des BSI zur mutmasslichen Zertifizierung der Firmen Infotecs und Protelion.

Ausserdem liess er die Website cyber-sicherheitsrat.ru erstellen und einen Screenshot davon einblenden. Darin wird Schönbohm mit Clownschminke dargestellt. Auf Russisch wird gefragt: «Ist Arne Schönbohm noch Ihr Ansprechpartner für Cybersicherheit in Deutschland?»

Es ist indes presserechtlich relevant, ob die Äusserungen des Komikers subjektive Wertungen oder Tatsachenbehauptungen waren. Denn falsche Tatsachenbehauptungen sind strafbar. Das wusste Schönbohm, als er die Klage gegen den öffentlichrechtlichen Sender ZDF auf den Weg brachte. Er setzte darauf, dass das Landgericht München die Äusserungen als strafbar einstufen würde.

Richter sprach von «herabwürdigender Tatsachenbehauptung»

Jetzt stellt das Gericht klar, auch eine satirische Äusserung müsse sich «an den Massstäben der Meinungsfreiheit messen lassen, wenn es um den Tatsachenkern der Aussage geht». Der Bedeutungsgehalt der Aussage ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus den «Begleitumständen».

Bereits an der mündlichen Verhandlung im September dieses Jahres erklärte das Gericht Schönbohms Unterlassungsbegehren für berechtigt. Der Vorsitzende Richter Bernhard Zeller sprach von einer «im schweren Masse herabwürdigenden Tatsachenbehauptung», die Böhmermann geäussert habe.

Das ZDF stellte den Sachverhalt anders dar. Ein von ihm beauftragter Anwalt sagte, alle Fakten im Beitrag seien sorgfältig recherchiert worden. Die Tatsachenbehauptung, Schönbohm unterhalte Kontakt zu russischen Nachrichtendiensten, liege nicht vor.

Der Sender liess verlauten, Böhmermann habe in zulässiger Weise «satirisch zugespitzte Kritik am Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und am Kläger als dessen damaligem Präsidenten geübt», heisst es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Schönbohm verklagt auch das Innenministerium

Neben dem ZDF verklagt Schönbohm auch das Bundesinnenministerium. Er wirft seinem ehemaligen Arbeitgeber Mobbing vor, der Verhandlungstermin ist auf den 23. Januar in Köln angesetzt. Tatsächlich leitete Faeser gegen Schönbohm eine geheimdienstliche Untersuchung durch den Verfassungsschutz, den deutschen Inlandsgeheimdienst, in die Wege. Über die internen E-Mails in diesem Zusammenhang hatte die «Bild»-Zeitung berichtet.

Faeser begründete damals die dienstrechtlichen Schritte gegen Schönbohm mit dem «Vertrauen» der Öffentlichkeit in seine Amtsführung, das durch die ZDF-Sendung «nachhaltig beschädigt» worden sei. Anstatt sich schützend vor ihren Spitzenbeamten zu stellen, beugte sie sich dem Druck der medialen Öffentlichkeit.

Die Entbindung Schönbohms von seinen Amtsgeschäften war auch vor dem Hintergrund brisant, dass das Sicherheitsrisiko für Deutschlands Cyberinfrastruktur anhaltend hoch ist. Seit Beginn von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine wurde Deutschland vermehrt Opfer von Cyberangriffen, etwa auf die IT-Systeme des Bundestags oder auf die Infrastruktur der Bahn.

Kein Fehlverhalten nachzuweisen

Schönbohm wollte nach seiner Freistellung mehr über die Gründe seiner Freistellung wissen. Er strengte ein Disziplinarverfahren gegen sich an, um zu erfahren, ob er sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte. Fehlverhalten sei ihm nicht nachzuweisen, so das Ergebnis der Untersuchung.

Schliesslich ist Schönbohm versetzt worden – seit dem 1. Januar ist er als Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung tätig. Ausserdem arbeitet er als Sonderbeauftragter für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft des Bundes.

Vor Gericht erschien Schönbohm als Privatperson. Auf dem Kurznachrichtendienst X sprach er von einem «Sieg», den er gegen das ZDF errungen habe.