Interview

Nach Absage zum TV-Duell: «Robert Habeck kann froh sein, dass er überhaupt mitmachen darf»

Der Kanzlerkandidat der Grünen Robert Habeck weigert sich, gegen die AfD-Kandidatin Alice Weidel anzutreten. Das Modell der TV-Duelle sei aber grundsätzlich fragwürdig, sagt ein Experte für politische Kommunikation.

Mirjam Moll 5 min
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Wirtschaftsminister Robert Habeck (hinten Mitte) spricht lieber mit Olaf Scholz als mit Alice Weidel. Ein TV-Duell mit ihr lehnt er ab.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (hinten Mitte) spricht lieber mit Olaf Scholz als mit Alice Weidel. Ein TV-Duell mit ihr lehnt er ab.

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Der Bundeswirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen Robert Habeck hat eine Einladung zu einem TV-Duell gegen die AfD-Chefin Alice Weidel ausgeschlagen. Begründung: Man habe schon im Vorfeld ein solches Duell ausgeschlossen. Er fordert stattdessen ein Triell mit CDU und SPD. Ein solches Format hatte es im vergangenen Bundestagswahlkampf tatsächlich gegeben, damals war Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen mit dabei. Allerdings lag ihre Partei damals fast gleichauf mit der SPD. Das ist heute anders. Je nach Umfrage liegen die Grünen zwischen vier und fünf Prozentpunkten hinter der SPD.

Auch die AfD kritisierte das Format, allerdings, weil sie nicht bei dem anderen TV-Duell zwischen Noch-Kanzler Olaf Scholz und dem CDU-Kandidaten Friedrich Merz teilnehmen darf. «Dass die AfD als Partei mit den aktuell zweitbesten Umfragewerten wieder in Ameisen-Runden verschwinden soll, werden wir juristisch prüfen», zitierte die «Bild»-Zeitung einen Sprecher der Partei.

Marcus Maurer ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Mainz. Im Gespräch mit der NZZ kritisiert er das Format des TV-Duells grundsätzlich.

Marcus Maurer, ist das Format der TV-Duelle noch zeitgemäss?

Das Format passt nicht zum Wahlsystem. Wir haben ein Mehrparteiensystem. Theoretisch ist es nicht richtig, wenn sich der Wahlkampf durch solche Duelle auf zwei Parteien fokussiert. Denn andere Parteien bekommen dadurch weniger Aufmerksamkeit. Durch das veränderte Wahlverhalten der vergangenen Jahre ist das Problem jetzt noch offensichtlicher geworden, aber es ist eigentlich ein grundlegendes.

Wie meinen Sie das?

Diese TV-Duelle sind gar nicht institutionalisiert. Im Grunde sind sie Fernsehsendungen. Und dazu können die Sender einladen, wen sie wollen. So haben die Sender auch argumentiert, als Guido Westerwelle (FDP) sich einklagen wollte, und dann auch recht bekommen. Solange es keine institutionalisierten Regeln gibt, wird es solche Beschwerden immer wieder geben. Nach Lust und Laune Leute einzuladen, macht die Sender sehr angreifbar.

Habeck will ein Triell mit SPD und CDU, das ist aber mit der Position der Grünen in aktuellen Umfragen nicht erklärbar, zumal die AfD dann vorkommen müsste. Wie sehen Sie das?

Richtig, das Grundproblem ist das gleiche. Bei den vergangenen Bundestagswahlen argumentierten die Sender, man nimmt die Grünen dazu, weil sie nur knapp hinter der SPD lagen.

Das ist diesmal aber anders. Trotzdem weigert sich Habeck, gegen Weidel im TV-Duell anzutreten.

Verständlich, dass er in einem solchen Format nicht antreten will. Denn damit weist man ihm eine Rolle zu, die er nicht innehaben will. Er darf nicht bei den Grossen mitspielen. Andererseits kann er nach der Parteienproporzregel froh sein, dass er überhaupt bei einem TV-Duell mitmachen darf.

Wie müssten TV-Duelle oder -Debatten gestaltet sein, damit sie «fair» sind?

Man hätte leicht festlegen können, dass der Amtsinhaber und der stärkste Herausforderer teilnehmen. Das wären in diesem Fall die SPD und die CDU. Auf die Art wäre die AfD draussen, aber eben auch die Grünen.

Warum sollen die Grünen dabei sein?

Das ist eine berechtigte Frage. Denn dann könnten auch die FDP oder das BSW ein Duell fordern. Deshalb: Ein klares Duell mit klaren Regeln, und die anderen schauen zu, oder man macht zusätzlich zu einem Hauptduell eine Runde der kleineren Parteien.

Wenn man nach dem Parteienproporz geht, müsste die CDU gegen die AfD antreten und die SPD gegen die Grünen. Oder nicht?

Das ist eine provokante Frage, aber nachvollziehbar. Man würde wohl argumentieren, der Amtsinhaber sollte beteiligt sein. Denn er hat die Politik der vergangenen Jahre zu verantworten, auch wenn andere Parteien beteiligt waren. Eine Runde ohne den Amtsinhaber und seine Partei wäre seltsam.

Ein Stück weit kann ich die Position verstehen, dass die stärksten Parteien vertreten sein sollten. Grundsätzlich problematisch finde ich, jetzt erst zu überlegen, wer dabei sein sollte.

Haben Sie ein Beispiel, wie es besser geht?

In den USA gibt es eine Kommission, die die Rahmenbedingungen von TV-Duellen festlegt. Das könnte man in Deutschland genauso machen. Aber man kann nicht in jeder Wahl anders handeln. Das muss unabhängig von den Parteien stattfinden.

Und in den USA ist das so?

Die dortige Kommission ist weitgehend unabhängig. Natürlich sind da auch Vertreter der Parteien dabei, aber auch der Sender.

Marcus Maurer

Marcus Maurer

Aber in den USA gibt es auch nur zwei Parteien.

Ja. Natürlich stellt sich dort die Frage nicht so, welche Parteien teilnehmen, aber wie viele Runden, in welchem Setting, ob im Townhall-Format oder mit einem Moderator und den Kandidaten – solche klaren Regeln gibt es in Deutschland nicht. Gäbe es sie, hätten wir die aktuelle Debatte nicht.

Jetzt ist der Aufruhr da, wie kann man die Situation noch retten?

Die Frage ist wohl eher, wie sich die AfD nach der Absage von Habeck verhält – und auch wie sich die Sender verhalten. Habeck kommt nicht, Weidel kann aber nicht alleine kommen. Findet das Duell dann gar nicht statt? Man kann ja nicht sagen, dass die AfD dadurch die ihr zugedachte Sendezeit verliert. Gut rauskommen kann man da nicht mehr. Die AfD lässt rechtliche Schritte prüfen.

Was ist mit einer Elefantenrunde?

Eine weitere Runde mit allen anderen Kandidaten könnte man machen, FDP, BSW und Linke haben ja auch ein Recht darauf, kaum weniger als AfD und Grüne. Da könnte Habeck mitmachen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er sich dem verweigern würde. Das wäre dann eine Rückkehr zum klassischen Format.

Und wo zieht man da die Grenze? Wer darf mitmachen?

Das wäre die Frage. Haben die Freien Wähler eine Chance auf den Einzug in den Bundestag?

Das kann man sich auch bei der FDP und der Linken fragen. Wo würden Sie die Grenze ziehen?

Man könnte Umfragewerte von vier und fünf Prozent inklusive des bei Befragungen üblichen Stichprobenfehlers zum Massstab machen. Aber dann stellt sich schon wieder die Frage, welchen Umfragewert man nimmt. Die ändern sich ja teilweise auch.

Die AfD ist laut Umfragen ja keine kleine Partei mehr, sondern zweitstärkste Kraft.

Das stimmt. Umso weniger sind die Grünen in der Position, sagen zu können, dass sie die Ersten sind, die an der Sendung von SPD und CDU teilnehmen dürfen. Dann wäre die einzige Lösung, dass alle vier teilnehmen müssen, das hätten die meisten Parteien wohl auch nicht gewollt. Es gibt aber keinen Weg, bei dem die Grünen ins Hauptduell dürfen, aber die AfD nicht.

Marcus Maurer ist Publizistikprofessor mit Schwerpunkt Politische Kommunikation an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.