Einhundert Menschen stehen in einem grell ausgeleuchteten Studio. Auf ihren Köpfen thronen Deutschland-Hüte, um den Hals tragen sie Deutschland-Hawaii-Ketten, in der Hand wird eine Deutschland-Fahne geschwenkt. Am Rand steht Bundeskanzler Friedrich Merz als Pappfigur mit schwarz-rot-goldener Blumengirlande. Daneben Moderatorin Anna Planken, die eine „Deutschland-Party“ ausruft. Es erklingen Stadion-Gesänge, Maskottchen „Schlandi“ reißt die Hände in die Luft und die frohe Botschaft, Deutschland habe „allen Grund zu feiern“, wird verkündet.
Was passiert hier? Testet das Privatfernsehen ein neues Krawallformat, weil „Promis unter Palmen“ nicht mehr zieht? Leider nein. Dieses Spektakel ist offiziell keine Trash-Show, sondern eine ARD-Sendung, tatsächlich aber ein weiterer Beleg, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk längst zur Karikatur seiner selbst verkommen ist.
Die Krise dieses Landes wird als Motto-Party inszeniert
„Die 100: Was Deutschland bewegt“ will zeigen, wie gut wir regiert werden. So zumindest kündigte es die ARD an. Herausgekommen ist ein Format, das wirkt, als hätten sich eine Social-Media-Abteilung, eine Eventagentur und die PR-Agentur der Bundesregierung in einem Studio eingeschlossen und ausbaldowert, wie sich aus der Krise dieses Landes eine Motto-Party machen lässt.
Während Moderatorin Anna Planken mit Maskottchen und bunten Grafiken belegt, wie großartig Wirtschaft, Wohlstand und Investitionspakete angeblich sind, dürfen hundert Bürger im Hintergrund Statisten spielen und Fähnchen schwenken. Der erste Moment der einstündigen Sendung, in der einem einmal wieder der Gedanke durch den Kopf geht, den eigenen Fernseher nun endlich aus dem Fenster zu werfen.
Besonders grotesk wurde es, als Anna Planken sich in ein Hochbett setzte und verkündete, die Bundesregierung habe in puncto Migration „geliefert“. Die Flüchtlingszahlen seien stark zurückgegangen, deshalb brauche man diese Betten, die in Flüchtlingsheimen stehen, eigentlich gar nicht mehr. Weniger Menschen, die kommen, bedeute „weniger Stress an Schulen, weniger Stress auf dem Wohnungsmarkt“, so die Moderatorin.
Nicht nur die Kulisse ist absurd, sondern auch die Darstellungsform, die politisch hochkomplexe Entwicklungen auf zwei Sätze schrumpft. Denn selbst wenn die Zahl der Neuankünfte sinkt, es kommen noch immer Hunderttausende. Und die Menschen, die bereits hier sind, bleiben sowieso.
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Die Verhöhnung der Bürger im Endstadium
Integration hört nicht auf, nur weil eine ARD-Moderatorin im Hochbett sitzt und verkündet, dass die Durchführung von Grenzkontrollen tatsächlich zu geringeren Flüchtlingszahlen führt. Diese Verknappung der Realität ist vor allem eines: journalistisch unlauter.
Der Tiefpunkt des Abends: ein „Hautfarben-Check.“ Moderator Till Nassif hält einer Frau und einem schwarzen Mann eine Farbskala vor das Gesicht, die zwischen „OK“ und „NICHT OK“ unterscheidet. Angeblich als ironische Referenz auf Internetkritik. Doch Ironie funktioniert nur, wenn man weiß, was man tut. Die ARD wusste es nicht und reproduziert rassistische Stereotype, verkauft diese als pädagogisches Experiment und garniert sie mit Betroffenheitsmiene.
Diese Sendung ist nicht nur peinlich, propagandistisch und unangenehm. Sie belegt ein für alle Mal, dass der ÖRR gar nicht mehr zu verheimlichen versucht, wie sehr er die Bürger dieses Landes verhöhnt.
Während draußen, in der realen Welt, über steigende Lebenshaltungskosten, machtlose Migrationspolitik und überlastete Schulen diskutiert wird, feiert das Erste im Studio eine Deutschland-Party mit Schaumstoff-Hüten und nennt das dann Debattenkultur.
Mit das Schlimmste daran ist, dass „Die 100“ keine einmalige Vollkatastrophe ist. Das Format hat sich über Monate hinweg einen Ruf erarbeitet, bei dem man nicht mehr genau sagen kann, ob die Verantwortlichen die Grenzen des guten Geschmacks testen oder die Geduld ihres Publikums.
Die Glaubwürdigkeit des Formats ist schon lange dahin
Bereits in früheren Folgen kam es zu Situationen, die die Glaubwürdigkeit des Formats massiv beschädigten: etwa als am Ende einer Debatte ausgerechnet ein Teilnehmer das Schlusswort sprach, der sich später als erfahrener TV-Statist entpuppte. Ein Zufall, wie der Sender erklärte. Und doch ein Zufall, der schwer wog, weil er die Grundidee des Formats – echte Menschen, echte Reaktionen – unterlief.
Solche Vorfälle wären Warnsignale genug gewesen. Doch statt daraus Konsequenzen zu ziehen, wurde die Inszenierungsschraube weiter angezogen. Nach dem Laiendarsteller-Skandal hätte „Die 100“ jeden Anlass gehabt, einen Gang runterzufahren, stattdessen hat die ARD beschlossen, noch eine Schippe Künstlichkeit draufzulegen.