Politik

Ergebnisse des Koalitionsausschusses: Warum in der Union die Absprachen des Kanzlers mit der SPD inzwischen gefürchtet sind

Ein forscher Vortrag ist schon die halbe Miete. Gut sechs Minuten trägt Kanzler Friedrich Merz am Donnerstagmorgen in straffen Sätzen die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vor. Tatkraft, Entschlossenheit soll das signalisieren. Es geht voran, sagt der Kanzler und lobt die zügige Abarbeitung der gemeinsamen Projekte aus dem Koalitionsvertrag.

Was er nicht sagt: Hinter den Kulissen der Koalition kracht, ächzt und knarzt es weiter wie auf einem alten Segelschiff, das gegen den Sturm nicht vorankommt. Denn anders als erhofft, ist die Kooperation mit der SPD durch das mühsam erzwungene Ja der Union zum Rentenpaket von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) keineswegs einfacher und leichter geworden. Hatten die Spitzen von CDU und CSU intern für den Rentenkompromiss damit geworben, dass sonst monatelange Blockade der Genossen drohe, so geht es auch jetzt nur millimeterweise voran.

Man verliert sich im Kleinklein

Kein Wunder also, dass Merz am Schluss seiner Einleitung die großen Sozialreformen nur beiläufig erwähnt: „Wir haben schon in der Vergangenheit wichtige Beschlüsse zur Rente und zum Bürgergeld getroffen, die im nächsten Jahr weiter bearbeitet werden ...“ „Weiter bearbeitet“ heißt in Wahrheit: einstweilen blockiert. So war die Einigung bei der Reform des Bürgergeldes an gleicher Stelle von Merz selbst bereits verkündet worden und muss nun doch wieder aufgeschoben werden, weil Sozialministerin und SPD-Chefin Bas die eigentlich schon gestrichenen Hausbesuche bei säumigen Sozialhilfeempfängern doch wieder ins Gesetz schummeln will. Als Hebel soll eine Mikro-Gruppe von Menschen mit psychischen Problemen und Hemmungen beim Öffnen von Amtspost herhalten. Kein Vorwand ist abwegig genug, um Menschen vor der Verantwortung für ihr eigenes Leben zu schützen. Gemeinsam anpacken sieht ebenfalls anders aus.

Pressekonferenz nach Koalitionsausschuss: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas (SPD)
Pressekonferenz nach Koalitionsausschuss: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas (SPD)

Ein lausiger Verhandler

Merz bedankt sich trotzdem für die „gute Zusammenarbeit in der Koalition“ und freut sich „wirklich auf die Zusammenarbeit im nächsten Jahr.“ Von der Spitze der Unionsfraktion kann man das nicht sagen, denn der Fraktionsvorstand und Fraktionschef Jens Spahn (CDU) ringt inzwischen nicht mehr nur mit dem Koalitionspartner SPD, sondern auch mit dem eigenen Kanzler. „Wir haben alle Hände voll zu tun“, stöhnte einer aus der Fraktionsspitze unlängst gar nicht so intern, „weil wir höllisch aufpassen müssen, dass Merz nicht mit SPD-Chef Lars Klingbeil oder Bärbel Bas allein im Raum ist. Am Ende kommen Absprachen heraus, die man keinem Menschen erklären kann.“ Der Chef ist ein lausiger Verhandler soll das heißen und ist als Stoßseufzer nicht nur in der Unionsspitze zu hören.

Ansonsten verströmt das Papier über den Koalitionsausschuss auf knapp fünf Seiten ein typisches Merkel-Flair. Auch Merz’ ehemalige Konkurrentin und Vorvorgängerin im Kanzleramt flüchtete sich oft in Detailversessenheit und Mikromanagement. „Alle Vorhaben zur Engpassbeseitigung bei den Bundesverkehrswegen, alle Schienenvorhaben, Vorhaben zum Neubau von Bundesautobahnen sowie zum vierstreifigen Neubau von Bundesstraßen, alle laufenden und fest disponierten Bundeswasserstraßen-Vorhaben, Ersatzneubauten von Brücken sowie den Neu- und Ausbau von dringend benötigten LKW-Parkplätzen werden wir bei Abwägungsentscheidungen prioritär behandeln.“ Dinge, die ein Verkehrsminister in normalen Zeiten, in denen man sich nicht gegenseitig belauert, gut und gern hätte allein ins Kabinett einbringen können, werden jetzt Gegenstand des Koalitionsausschusses.

Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, und Jens Spahn (CDU), Fraktionsvorsitzender im Bundestag
Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, und Jens Spahn (CDU), Fraktionsvorsitzender im Bundestag

Immerhin eine Bemühenszusage

Selbst die Umweltverträglichkeitsprüfungen, die künftig bei „Elektrifizierungen von Bahnstrecken mit einer Länge von unter 60 Kilometern“ entfallen sollen, müssen SPD-Umweltminister Carsten Schneider hart abgerungen werden. Das „Verbandsklagerecht“, mit dem Vereine wie die Umwelthilfe, Nabu, BUND und andere bundesweit Bauprojekte auf Jahre lahmlegen können, auch wenn sie von den Vorgängen gar nicht betroffen sind, kann nicht einfach drastisch zurückgeschnitten oder gar abgeschafft werden, sondern bedürfen weiterer Verhandlungen.

„Für Klagen gegen Infrastrukturprojekte gelten künftig klarere Regeln, etwa zur Streitbeilegung, zur Rolle der Behörden und zum Wegfall der aufschiebenden Wirkung. Einwendungen zählen nur noch, wenn sich die betreffende Person oder Vereinigung bereits im Verwaltungsverfahren beteiligt hat – dies beugt Missbrauch vor. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschließen wir spätestens am 28. Februar 2026.“ Eine Bemühenszusage mit Termin immerhin.

Für die vollmundige Abschaffung des Habeck’schen „Heizungsgesetzes“, das künftig statt „Gebäudeenergiegesetz“ dann „Gebäudemodernisierungsgesetz“ heißen soll, müssen zunächst „Eckpunkte bis Ende Januar“ erarbeitet werden, auf deren Grundlage dann ein Entwurf vorgelegt werden soll.

Eine Politikwende sieht wahrlich anders aus.

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Alexander A.
11. Dezember 2025, 15:41

Man wurschtelt sich irgendwie weiterhin so durch. Einfach nur noch traurig und desillusionierend,

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