Die Freiheit des Glaubens und seiner Ausübung zählen zum Kern der Menschenwürde, die im Grundgesetz (GG) von zentraler Bedeutung ist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht den Einzelnen als berechtigt an, sein gesamtes Verhalten an seiner Religion auszurichten, also alles zu tun, was sein Glauben von ihm verlangt.

Das Problem: Die Werteordnung, die sich aus dem Koran und der darauf basierenden Scharia ergibt, liegt mit jener des GG in weiten Teilen über Kreuz. Das gilt für das Menschenbild, die Freiheitsrechte des Einzelnen im Allgemeinen und die Religionsfreiheit im Besonderen.

Für den Islam ist Religion nicht nur privater Glaube an jenseitige Mächte. Vielmehr beansprucht er, dass sich alle Lebensbereiche des Irdischen an seinen Vorgaben auszurichten haben. In diesem Sinne war und ist er politisch. Die Menschen sind vor Gott und in der Welt ungleich. Sie teilen sich in Gläubige, die Gott liebt, und Ungläubige, die er zu bestrafen gedenkt, auch im Diesseits. Am Tage des Gerichts werden sie nach dem Mass ihrer Rechtleitung und ihrer Tatenregister bewertet. Diejenigen, die im Kampf für Allah kämpfen und ihr Leben lassen, werden laut Koran mit ihrem Märtyrertod privilegiert behandelt.

Muslime sollen gemäss der Offenbarung möglichst unter sich bleiben und Ungläubige nicht zu Freunden oder Vertrauten nehmen. Dasselbe Ziel verfolgen Heiratsvorschriften. Solange sie in der Minderheit sind, nehmen sie das Recht der Ungläubigen zwar zur Kenntnis und befolgen es gegebenenfalls auch. Erlangen sie aber die Mehrheit, sehen sie sich religiös als berechtigt an, zu gebieten, was recht ist, und zu verbieten, was verwerflich ist. In der Alltagspraxis äussert sich dies (bislang) häufig nur im Bereich der Speise- und Bekleidungsfragen. In Schulen werden die Sitzordnung zwischen Jungen und Mädchen und das Kopftuch thematisiert, beim Einkaufen muss das Fleisch halal (erlaubt) sein.

Der Islam versteht sich als Gesetzesreligion. Das bedeutet, dass das göttliche Gesetz, das heilig ist und immer gilt, gegenüber dem weltlichen höherwertig ist und bei fehlender Übereinstimmung vorgeht. Aus dieser Reihenfolge ergibt sich die muslimische Loyalität. Dem weltlichen Recht «der Ungläubigen» steht man nur abwartend oder gleichgültig gegenüber. Dass man gerne unter sich bleibt, begünstigt das Entstehen von Parallelgesellschaften. Wo sich solche infolge einer grossen Zahl eingewanderter Migranten gebildet haben, sind Bestrebungen erkennbar, angelehnt an grosse Moscheen eigene Kultureinrichtungen aufzubauen. Durch ein System staatlich nicht legitimierter sogenannter Friedensrichter wird versucht, für Muslime die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit der «ungläubigen» Staaten zu umgehen. Das betrifft beispielsweise Ehestreitigkeiten, für die der Koran eigene Regelungen enthält, zudem Körperverletzungs- und Tötungsdelikte bis hin zu den sogenannten Ehrenmorden.

Unter Muslimen geht es dabei um Streitschlichtung, die als Privatsache angesehen wird. Es geht um die Wahrung von Ehre, wirtschaftlichen Interessen und das Verhindern weiterer Racheakte. Friedensrichter können dabei auf die Zahlung eines Blutgeldes oder anderer Ausgleiche hinwirken. Das Unterlaufen der staatlichen Rechtsordnung zeigt sich auch beim Schliessen von Ehen unter Minderjährigen durch Imame. Einer der Kernsätze der staatlichen Rechtsordnung, wonach für alle das gleiche Recht zu gelten hat, wird hierdurch ohne viel Aufhebens schleichend und zu Lasten der staatlichen Glaubwürdigkeit entwertet.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass Koran und Scharia die Aufnahmestaaten von Muslimen und speziell das deutsche Grundgesetz fortlaufend delegitimieren. Ungeachtet dessen bestimmt die Verfassung, dass ein Grundrecht, auch die Religionsfreiheit, in seinem Wesensgehalt nicht angetastet werden darf (Art. 19 Abs. 2 GG). Der Islam lässt sich daher nicht verbieten. Das Grundgesetz schützt und erlaubt damit eine Religion, die seine sonstigen Werte weithin ablehnt.

Das daraus erwachsende Dilemma für die autochthone Mehrheitsbevölkerung lässt sich im Kern nicht lösen. Seiner Schutzverpflichtung gegenüber diesem (und dem wesentlichen) Teil der Bevölkerung wird der Staat gleichwohl nachkommen müssen. Die politischen Parteien werden dies ebenfalls zu beachten haben, soweit sie Verantwortung im Staat übernommen haben. Sie sind sich dieser Pflicht derzeit allerdings nicht bewusst.

Schützen bedeutet zunächst, das deutsche Staatsvolk über die Glaubensinhalte des Islam und seine Probleme mit dem Grundgesetz zu informieren. Diese Informationspflicht verstösst im Ergebnis nicht gegen die verfassungsrechtlich angelegte staatliche Neutralitätspflicht. Da sich das Religionsverständnis des Islam von dem anderer Religionen unterscheidet, darf Ungleiches auch ungleich behandelt werden.

Eine weitere Möglichkeit ist im Grundgesetz bereits angelegt, sie wird durch die bisherige Rechtsprechung des BVerfG allerdings verbaut. Dabei geht es um eine Norm der Weimarer Reichsverfassung (WRV), die durch Art. 140 GG gleichwertiges Verfassungsrecht im GG geworden ist. Art. 136 WRV besagt, dass die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten durch die Ausübung einer Religion weder vorgegeben (bedingt) noch beschränkt werden.

Insoweit enthält das GG einen verfassungsrechtlichen Vorbehalt für den ansonsten vorbehaltslosen Art. 4 GG. Damit wird das Gemeinschaftsinteresse an einer allgemeinen Pflicht zur Befolgung von Gesetzen und Verordnungen verankert, sozusagen als erste Bürgerpflicht im Grundgesetz. Diese Pflicht wäre von allen zu beachten und staatlicherseits auch durchzusetzen, selbst wenn das islamische Recht etwas anderes besagt. Dies beträfe alle Rechtsbereiche, womit sich zahllose Alltagsprobleme besser lösen liessen als bisher. Das BVerfG hatte 1972 geurteilt, Art. 4 GG würde den Art. 136 WRV «überlagern», ohne dies bislang zu ändern. Es wäre an der Zeit, darüber neu nachzudenken.

Thomas Darsow, Jahrgang 1952, ist promovierter Jurist. Er leitete als Ministerialdirigent Abteilungen eines Innenministeriums. Bis 2021 war er Lehrbeauftragter an einer deutschen Universität. Zuletzt von ihm erschienen: Islam und Grundgesetz. Wie weit reichen Religionsfreiheit und Menschenwürde? Gerhard-Hess-Verlag. 359 S., 24,90 Euro