Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat mit seiner Rede vom 9. November die Debatte um ein Verbot der Alternative für Deutschland (AfD) weiter angeheizt. Er blies zum Halali auf «Verfassungsfeinde» und unkte: «Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit eines Verbots rechnen.» Selbst die nüchterne Neue Zürcher Zeitung nannte dies eine «Grenzüberschreitung». Fassungslosigkeit darüber, wie der Bundespräsident so die Fassung verlieren kann, spricht aus den Zeilen der neutralen Schweizer Beobachterin. 

Steinmeiers Verbalattacken wirken, so betrachtet, wie die höchstamtliche Legitimierung eines längst die Züge einer Hexenjagd tragenden Einheitsfrontkampfes gegen die AfD, ihre Wähler, Mitglieder, Repräsentanten. Wenn selbst der Bundespräsident zum hemmungslosen Eindreschen auf die Opposition aufruft – wer soll sich denn da noch genieren und nicht selbst den Holzhammer auspacken?

Tatsächlich gehören Schikanen und Benachteiligungen aller Art zum Alltag der aufstrebenden Partei. Sie reichen von Berufsverboten und Brotkorbterror – auch dies feuerte Steinmeier an – über Ausquartierungen aus Hotels und Aussperrungen aus Sport- und Sozialvereinen bis zum Mobbing gegen Kinder von Politikern. 

 

Entfernung aus dem Staatsdienst _ «Rheinland-Pfalz will keine AfD-Mitglieder mehr einstellen», lautete eine Schlagzeile des verflossenen Sommers. Als wäre es die natürlichste Sache der Welt, stellte der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk die Frage: «Was unternehmen die Länder gegen AfD-Mitglieder im Staatsdienst?» Mitglieder einer Partei, die bei den Bundestagswahlen zehn Millionen Wähler hinter sich scharte und in Meinungsumfragen gleichauf oder gar vor der Kanzlerpartei CDU liegt, wurden – in Umkehrung der Beweislast – unter Generalverdacht gestellt.

Zuvor schon hatte Bayern verlautbart, die AfD in das «Verzeichnis extremistischer und extremistisch beeinflusster Organisationen» aufzunehmen, das Teil der Bekanntmachung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst sei. 

Dagegen erhoben renommierte Staatsrechtler die Stimme und erklärten, solche Pläne seien ihrerseits verfassungswidrig. In der Tat kommt einem das aus der deutschen Geschichte bekannt vor. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 schuf die Grundlage dafür, dass «Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten», entfernt werden konnten. Es zielte vor allem auf jüdische Mitbürger und politisch Unerwünschte. 

 

Ausschluss von Wahlen _ Was für Beamte recht ist, ist für Politiker nur billig. Mehrfach wurden AfD-Kandidaten teils auf Initiative von politischen Konkurrenten an der Teilnahme an kommunalen Wahlen gehindert. So geschehen bei der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen, wo der AfD-Mann Joachim Paul aus dem Verkehr gezogen wurde, gestützt auf abenteuerliche Vorhaltungen des Verfassungsschutzes, der etwa die Lektüre falscher Bücher monierte. Wehe, man fasst im Deutschland des Jahres 2025 das Nibelungenlied an! Auch der «Herr der Ringe» hat offenbar staatsgefährdenden Charakter. 

Auch im nordrhein-westfälischen Lage oder in Neukloster, Mecklenburg-Vorpommern, ist es den Gegnern gelungen, AfD-Politiker durch die Kabalen sogenannter Wahlausschüsse kaltzustellen. Über den Entzug des aktiven Wahlrechts des Bürgermeisterkandidaten Uwe Detert berichtete der WDR lapidar, der Wahlausschuss der Stadt Lage habe ihn «vom Wahlzettel gestrichen». So einfach geht das. Zumal Rekurse von den Gerichten meist abgeschmettert werden.

 

Tätliche Übergriffe _ Immer wieder kommt es gar zu physischen Angriffen auf AfD-Exponenten und ihr Eigentum. Der jüngste Fall betrifft den parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, dessen Auto – beziehungsweise dasjenige seiner Ehefrau – in Hamburg vor seinem Haus in Brand gesteckt wurde, wobei auch mehrere weitere Fahrzeuge total ausbrannten. Bereits im August 2024 war dort ein Brandanschlag verübt worden. Der Staatsschutz geht laut NDR von einer «politischen Tat von links» aus. Und was macht ein Steinmeier? Er schmeisst noch rhetorische Steine hinterher. 

In Göttingen wurden im Oktober zwei AfD-Politiker von mehreren Männern attackiert, sie erlitten Verletzungen in Form von Rötungen und Prellungen. In Mannheim wurde im Kommunalwahlkampf 2024 ein AfDler mit einem Messer angegriffen, ein Gericht sah allerdings kein politisches Motiv.

Tätliche Attacken auf rechte Politiker gibt es quer durch die Republik. In Sachsen wurde im Mai 2024 der AfD-Landtagsabgeordnete Mario Kumpf in einem Supermarkt durch einen Schlag ins Gesicht verletzt. In Stuttgart traf es zur gleichen Zeit zwei AfD-Abgeordnete an einem Informationsstand. Und ebenfalls im Mai letzten Jahres warfen Demokratiefeinde mit krimineller Energie einem AfD-Landtagsabgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern einen Aschenbecher aus Glas an den Kopf. Er erlitt eine Platzwunde.  

Kein Bett für den «Feind» _ Das Schneiden und Schikanieren beginnt niederschwelliger oft schon mit der Ausquartierung von Parteimitgliedern aus Hotels, Restaurants, Tagungsstätten. Ein aktueller Vorfall ereignete sich diese Woche in Giessen, wo ein Hotel und ein Catering-Service kurz vor der bevorstehenden Gründung einer neuen AfD-Jugendorganisation von ihren Verträgen zurücktraten. Im Netz hätten linksextreme Aufrufe gegen die Veranstaltung kursiert, auch mit Gewaltbezug, berichtet die Hessenschau. 

International Schlagzeilen machte die Ausladung von AfD-Co-Chefin Alice Weidel aus dem Hamburger Hotel «Louis C. Jacob» im Januar dieses Jahres. Zuvor hatten über 15 000 Demonstranten versucht, die Kanzlerkandidatin an einem politischen Auftritt im Rathaus zu hindern. 

Dass Betreiber und Veranstalter die Mitglieder und Anhänger der Alternative als Bürger zweiter Klasse behandeln, gehört seit Jahren zu den Sitten und Unsitten der Bundesrepublik. «Vor dem Parteitag in Augsburg weigern sich Hotels, AfD-Politiker wie Alexander Gauland und Alice Weidel aufzunehmen», meldete die Zeit schon 2018. Ein Abgeordneter habe von «Gestapo-Methoden» gesprochen. Doch statt die unverfrorene Diskriminierung anzuprangern, liefern Medien wie die linke Taz lieber hämische Kommentare zu dem Phänomen («Der Feind in meinem Hotelbett»). 

 

«Die AfD hat im Fussball nichts zu suchen» _ Die zunehmend aggressiven Anti-AfD-Umtriebe machen selbst vor Sport und Freizeit nicht Halt. Berühmt-berüchtigt sind die Sätze des damaligen Präsidenten des Bundesligavereins Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, der 2017 verkündete: «Wer die AfD wählt, kann bei uns kein Mitglied sein.» Fischer rief öffentlich dazu auf, AfD-Wähler zu schlagen und ihnen ins Gesicht zu «kotzen». Eine Klageflut gegen die unmissverständliche Aufforderung zu Gewalt an Andersdenkenden hatte indes keine juristischen Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Köln sah darin «keinen ernstgemeinten Aufruf zu einer Straftat». Hat hier jemand «Hass und Hetze» gesagt? 

Auch hier boten Journalisten dem Entgleisten Flankenschutz. «Die AfD hat im Fussball nichts zu suchen», meinte der Spiegel, einst ein «Sturmgeschütz der Demokratie», in verblüffender Geschichtsblindheit. Zitat der Bundeszentrale für politische Bildung zum Fussball im Nationalsozialismus: «Nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 wurden in wenigen Wochen die jüdischen Mitglieder aus den Vereinen ausgeschlossen.» Es gab nur wenige Ausnahmen wie den FC Bayern München unter seinem legendären jüdischen Präsidenten Kurt Landauer. Was die heutige Führungsriege des FCB allerdings nicht daran hindert, in den Chor der AfD-Saboteure einzustimmen. 

 

Ausgrenzung mit dem Segen der Kirche _ Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Die AfD sei «für Christen nicht wählbar», verkündete die katholische Bischofskonferenz im letzten Jahr. Ausgrenzung mit dem Segen der Kirche. Und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, erklärte erst vor wenigen Tagen, man sehe sich bei der AfD einer Partei gegenüber, «die die Würde bestimmter menschlicher Gruppen längst schon für antastbar erklärt und sich damit ausserhalb der Grundlagen unseres Grundgesetzes stellt». Ihr dürfe keine Unterstützung gewährt werden. «Im Gegenteil: Dass diese Partei Widerstand braucht, ist, glaube ich, eindeutig», so die Hamburger Bischöfin.

Angesichts solcher Signale von der Spitze erstaunt es nicht, dass eine Organisation wie der katholische Sozialverband Kolping beschlossen hat, in seinen Reihen keine AfD-Mitglieder zu dulden. 

 

Mobbing gegen Kinder _ Und weil man nicht früh genug damit beginnen kann, macht das Canceln der Alternative selbst vor dem Nachwuchs und vor Sippenhaft nicht Halt. Ende Oktober machte Nius den Fall einer Kindestagesstätte in einer «deutschen Grossstadt» bekannt, wo Eltern per Petition den Ausschluss eines vierjährigen Kindes forderten, dessen Vater für die AfD politisiert. Die watteweich verpackte Forderung: «Die Familie mit einer fairen Übergangszeit aus der Kita entfernen». 

Wie weit der alltägliche Irrwitz gegen Mitglieder und Wähler der AfD gediehen ist, zeigt schliesslich die Tatsache, dass davon längst auch unbeteiligte Dritte betroffen sind. Ein Hotelier in Moers beklagt, dass Gäste ausbleiben, weil er den gleichen Namen trägt wie ein AfD-Lokalpolitiker. 

Ja, ganze Landstriche und Tourismusregionen werden offenbar abgestraft, weil die Menschen dort von ihrem Recht Gebrauch machen, die Partei ihrer Wahl zu wählen. «Ostsee-Hotels beklagen Storno-Welle ‹wegen AfD›», so die Bild. Er bekomme von den Mitgliedern «jeden Tag Informationen, dass Gäste mit der Begründung ‹AfD› stornieren», sagte ein Vertreter des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands der Ostsee-Zeitung. Dies, nachdem die Partei in den ostdeutschen Bundesländern deutlich zugelegt hatte. 

Was folgt als Nächstes? AfD-freie Bäder? Einkaufsläden nur für Nicht-AfDler? Blau angestrichene Parkbänke? Und wohin mit all den Subversiven, die die deutsche Nationalflagge hissen? Soll man sie ins Gefängnis stecken? Der Vorsprung der Satire vor der Realität schmilzt mit jedem Tag.

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